Die große Kanone von Zillisheim
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er nicht nur was erleben
– nein, manchmal findet man abseits des richtigen Weges auch ein
spannendes Kleinod, das schon seit ein paar Jahren auf der „Da
muss ich doch mal hin wenn Zeit ist“-Liste steht.
So stand Anfang des Jahres (sofern eben die Möglichkeit bestand)
ein Kurzbesuch an der sogenannten „großen Kanone von Zillisheim“
an. Und: klappte, wenn auch nicht ganz so wie gehofft.
Worum geht es? Die besagte Kanone war eine 38cm Marine-Kanone
die im 1. Weltkrieg Belfort in Frankreich beschießen sollte,
nachdem die Westfront im Grabenkrieg erstarrt war. Das Geschütz
war aufgrund seiner Größe und Wirkung sehr populär. Für den
Transport von Material und Munition wurde eigens eine 2,6 Km
lange Bahn installiert, die teilweise in verbunkerten Tunneln
verlief um ungestört vom Gegenfeuer die Kanone feuerbereit zu
machen. Die Arbeiten an der Anlage begannen im September 1915.
Bereits am 8. Februar 1916 wurde der erste Schuss nach Belfort
gefeuert. Insgesamt wurden mit der Kruppschen Kanone 44 Schuss
abgegeben, 41 nach Belfort und 3 nach Wesserling. Es gab
insgesamt 14 Tote durch den Beschuss – wer sich nun wundert über
die Relation zu Aufwand und Nutzen: genau. Völlig ineffektiv…
Ende 1916 wurde die Anlage schon wieder aufgegeben und 1920 zum
nationalen Denkmal in Frankreich erklärt und bis auf ein paar
Hinweistafeln im Wald schläft sie seitdem ihren
Dornröschenschlaf nachdem die Metallteile aus der Anlage
entfernt wurden.
Größere Kartenansicht
Mehr Informationen, Pläne (T1-3 sind die Treppenhäuser auf die
ich mich im Text beziehe!) und einige wenige Bilder findet man
hier:
http://sundgaufront.j-ehret.com/zillisheim.htm
Nun, zu später, leider schon extrem dunkler
Stunde führte mich der Weg an der Anlage vorbei – kurz am Fußweg
angehalten, Stiefel an und die Matschjacke drübergeworfen,
ausnahmsweise die Helmpflicht ignoriert und auch wider besseren
Wissens solo unterwegs (es gab aber eine Info wo ich war und was
zu tun wäre, sollte ich nicht am nächsten Morgen eine kurze
Nachricht schicken…). Zunächst führte mich der Weg zielstrebig
den falschen Weg entlang – nach 200m über umgestürzte Baumstämme
kam mir das spanisch vor. Zurück Marsch und den richtigen Weg
gefunden. Durch den dunklen Wald hatte ich aber keine gute
Möglichkeit mich mit der Karte zu orientieren aber schon nach
1km Weg tauchte links neben dem Weg eine Treppe in den
Untergrund auf. Reingeleuchtet und: Sah richtig aus. Kurz über
die Drähte gehüpft und schon ging es abwärts in das System. Hier
erwartete mich Matsch.
(Direkt nach dem Einstieg der
Deckendurchbruch - oder ein verfüllter Lüftungsschacht?)
Überall zäher,
fieser dicker Schlamm der den Boden mal mehr und mal minimal
weniger bedeckte. Ohne Stiefel geht hier nichts! Um die Kurve
gebogen und ein Deckeneinbruch verleitete mich dazu, erst mal
die andere Richtung einzuschlagen. Ich hatte aufgrund des Plans
angenommen, bei T1 eingestiegen zu sein und wunderte mich schon
nach kurzer Zeit, das irgendwie der Plan nicht ganz mit der
Situation im nicht ganz mannshohen Tunnel übereinstimmte.
Merkwürdig. Dennoch kann man sich hier kaum verlaufen, denn der
Tunnel geht abgesehen von einer Abzweigung zum Ausgang der
Feldbahn im Kreis.
(Hauptgalerie. Mächtig matschig...)
Nach einiger Zeit kam ich an einer
Abzweigung vorbei und dann an den ersten Munitionslagerräumen.
(Links sind die leeren Nischen.)
Alles komplett leer und von verwertbaren
Metallen befreit waren hier die ersten Graffitis zu sehen, aber
auch noch ein paar originale Inschriften. Ich machte ein paar
Fotos die die derzeitige sporadische Nutzung als Partyraum
zeigen (Bierflaschen und Kerzen…).
(Die erste, leere Nische - leicht
vermüllt und ein paar Graffiti.)
...und ging bald weiter und
kam dann an eine zweite Abzweigung. Spätestens jetzt wurde mir
klar dass ich nicht da sein konnte laut Plan wo ich es annahm,
denn hier fanden sich auch Mannschaftsräume und ein Ausgang nach
oben – der allerdings richtig schlammig war, weswegen ich hier
nicht herauskletterte.
(Lüftungsschacht.)
Ein komisches Loch in der Tunneldecke
wurde schnell als einer der Lüftungsschächte identifiziert und
mir schwante, das ich statt in T1 in T3 eingestiegen sein könnte.
Und richtig: Den Gang entlang zum zentralen Teil der Anlage ging
es nun, dem Hauptmunitionslager und den Treppenhäusern in
Richtung der Geschützbettung. Hier fand sich dann ein Partyraum
der besonderen Art. Wie beschreibe ich es am besten…? Nun, in
einen Holzpflock der in den Boden gerammt war, war ein Kondom
der Marke Durex Maxi übergezogen worden und das Ganze in
ergonomisch eindeutiger Ausrichtung positioniert worden. Dazu
noch eindeutige Graffitis, Kerzen, Bierflaschen und Fussspuren:
Ooookay. Hier scheint wohl jemand einen besonderen „Bunkerfetisch“
auszuleben – nun, leben und vögeln lassen…
(Oooookay...? Was man nicht alles
in Bunkern findet.)
Weiter ging es zur Bettung – und
hier wurde es aber dann so matschig, das ich nicht durchkam.
(Der Boden war hier sehr wellig,
mir war aber nicht klar, warum. Nach dieser Stelle wurde es aber
dann extrem nass und matschig.)
Keine Chance- der eine Stiefel wurde vom
Schlamm beinahe verschluckt so das ich frustriert den ganzen Weg
zurück musste. Ärgerlich!
(Der Boden war so matschig, das ich
nur noch bis zu den NIschen weiterkam - da war Schluß.)
So schlug ich nun den Weg geradeaus ein
zum Ausgang der Feldbahn ging es nun, immer weiter durch den
dicken Matsch. Unterwegs sah ich eine Parade von Müllbehältern –
ärgerlich.
(Ich will nicht wissen, was da so
alles drin ist oder war...)
Offenbar entsorgt hier irgendwer
unleckeres Zeug – toll. Das Ende und der Ausgang der Feldbahn
waren unspektakulär – im Dunklen draussen war nichts zu
entdecken, also ging der Weg zurück zum Einstieg T3 wo ich dann
also doch durch die verbrochene Stelle musste um zur Bettung zu
kommen.
(Der Ausgang der Feldbahn.)
(Der relativ weit aufgefüllte
Durchschlupf.)
Nach reichlich Lauferei (hatte ich den
Matsch erwähnt…?) kam ich dort vorbei und nach noch etwas mehr
Strecke kam der Partyraum Nummer 3 – ehemals ebenfalls ein
Munitionslager in Sicht. Auch hier eine eindeutige Ansammlung
und Positionierung von Flaschen, Kerzen und umgedrehten Eimern
auf dem Boden – Kopfkino stellte sich etwas ein und ich machte
mich mit einem erheitertem Achselzucken weiter auf den Weg.
(Der andere "Partyraum" - ehemals
Munitionslager.)
Hier kam ich nun an dem ehemaligen
Munitionsaufzug vorbei – ein Loch massiver Größe!
(Deutlich zu erkennen der Bewuchs
mit Moosen durch die hohe Feuchtigkeit.)
Kein Wunder, die Geschosse die hier
transportiert wurden waren schon enorm. Die untere Etage ist
leider nicht mehr erreichbar, hier befanden sich die Motoren der
Lifte. Alles voller Schlamm und so ging es mühselig weiter zur
Bettung.
(Der Fahrstuhlraum Nr. 2 - in Decke
und Boden noch erkennbar die Löcher für Motoren und
Umlenkrollen..)
(Französische Beschriftungen wohl
aus den Zwanziger Jahren.)
Es ist, wie es ist und nach 40 Minuten unter
Tage machte ich mich durch den Rückweg im dunklen Wald – ein
Glück gab es hier ausgetretene Pfade für Jogger, so dass ich
nach übersichtlicher Zeit wieder am Auto ankam und den Schlamm
nebst Stiefeln in eine Tüte entsorgen konnte.
Zusammenfassung:
Was für absolute Fans die sich viel Matsch und wenig guten
Motiven nicht abschrecken lassen. Dennoch mehr oder minder ein
Unikat und vielleicht eben deswegen interessant. Und: Deutlich
besser erhalten und zugänglich als die meisten Anlagen in
Deutschland. Wie immer ein Pluspunkt in Frankreich…
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