Ordensburg Vogelsang, Eifel
Trotz meiner längeren Krankheit Ende 2006 bis Mitte 2007
wollte ich nicht ganz von meinem Hobby lassen. Im Frühjahr 2007
habe ich mit Freunden eine Tour in die Eifel unternommen. Unter
anderem auf dem Programm stand die "Ordensburg
Vogelsang", ein ehemaliges Ausbildungszentrum der SS und in
der Folge ein Ort mit sehr wechselhafter Geschichte. Wie kam es
dazu? Nun, einem Vereinskollegen von Dauerzocken-24 erzählte ich
von meinen Bunkertouren und er meinte, das vor kurzem die
ehemalige Burg Vogelsang nun für die Allgemeinheit geöffnet
worden sei, nachdem diese fast 50 Jahre lang den Belgiern als
Kaserne und Truppenübungsplatz gedient hatte. Dies sei doch
vielleicht ein interessantes Ziel? Na klar - also kurz
entschlossen dorthin auf den Weg gemacht, zuvor reichlich dazu
recherchiert und nachgelesen, noch ein paar Kollegen dazu gepackt
und nix wie hin. Leider haben wir am Samstag keine Führung mehr
mitmachen können, weil wir dafür zu spät vor Ort waren. Aber
auf eigene Faust haben wir dann das Gelände erkundet und so
manches Interessante gesehen. Sonntag haben wir dann doch noch
eine Führung am Morgen mitgemacht, die durchaus informativ war
und so manche unserer Fragen vorm Vortag beantworten konnte.
Der Reihe nach - die SS-Ordensburg
Vogelsang war ein von den Nationalsozialisten errichteter Gebäudekomplex bei Gemünd/Eifel oberhalb der Urfttalsperre in Nordrhein-Westfalen. Die Anlage diente der NSDAP zwischen 1936 und 1939 als Schulungsstätte für den Nachwuchs ihrer Führungskader. Der unter Denkmalschutz stehende Teil der Bauwerke umfasst eine Bruttogeschossfläche von mehr als 50.000 Quadratmeter und gilt nach den Parteitagsbauten in Nürnberg mit fast 100 ha bebauter Fläche als die größte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus in Deutschland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Komplex von britischen, seit 1950 von belgischen
Truppen genutzt, die unter dem Namen „Camp Vogelsang“ dort eine Kaserne und im umliegenden Gelände einen Truppenübungsplatz einrichteten.
An einem etwas spät geratenen Samstag Nachmittag trafen wir also
an der "Burg" ein. Ich setze das mal in
Anführungsstriche, denn eins war bald klar: Es sah zwar alles
nach einer Burg aus, aber unter der dünnen Fassade sah man bald
mehr oder minder bröckelnden Beton. Wie so vieles aus der NS-Zeit
war auch dieses eigentlich eine gigantische Filmkulisse, wenn auch
massiver gebaut. In vielen Bereich sollte es sich wieder einmal
zeigen, das hier nicht funktional, sondern repräsentativ um jeden
Preis gebaut wurde.
Zunächst bot sich uns ein etwas
merkwürdiger Anblick: Das Torgebäude. Eine krude Mischung aus
flacher "Heimatschutz"-Architektur, mittelalterlichen
Burgelementen und - als Krönung des absurden Stilmixes -
dorischen Säulen aus Beton an der Einfahrt. Nun, der als "Malakoff"
bezeichnete Eingangsbereich war leider nicht zu besichtigen, wir
sind dann relativ flott weiter zum eigentlichen Burggelände
gefahren.
(Eingangsbereich "Malakoff":
Tor von außen. "Tolle", unpassende dorische Säulen
inklusive.)
Wir sind dann auf das Gelände
gefahren, haben an einer ehemaligen Panzerwartungshalle der
Kaserne geparkt und sind zu Fuß weiter Richtung der anderen Gebäude
gegangen. Dort fiel uns als erstes das massive Gebäude auf, das
sich als Kaserne "Van Dooren" entpuppte. Dies ließen
wir aber erstmal links (oder eigentlich rechts...) liegen und
gingen ein Stück weiter. Und vor uns lag dann das erste komplett
erhaltene Gebäude der "Burg": Die Burgschänke.
(Burgschänke von hinten aus Sicht
der Kaserne Van Dooren.)
In der Burgschänke wurde zu
besonderen Anlässen bewirtet, bzw. dort konnten die Lehrer und
Ausbilder essen. Für die normalen Schüler wurde an anderer
Stelle das Essen ausgegeben. Rechts an die Burgschänke angelehnt
ist ein halbrundes Gebäude, in dem die offiziellen Empfänge
stattfanden.
(Burgschänke von vorne, rechts gut
zu sehen das halbrunde Empfangsgebäude.)
Weiter ging es, die andern Gebäude
anschauen. Als nächstes führte uns der Weg zu den zentralen
Gebäuden der Anlage. Hier war der sogenannte "Adlerhof"
untergebracht. In den Gebäuden rund um diesen Hof wurden die
Arbeitsgemeinschaften der Schüler durchgeführt und auch
die Vorlesungen. Diese fanden zum Teil in der Wandelhalle statt,
was aufgrund des Geräuschpegels von außen und dem Wind sicher
keine gute Idee war.
(Der Adlerhof - Ansicht des rechten
Teils. Hier stand einmal ein Schulungsgebäude, das aber nach
einem Bombentreffer nicht neu aufgebaut wurde. Im Hintergrund das
heutige Besucherinformationszentrum und der "Bergfried",
der Burgturm der Anlage.)
(Adlerhof, Sicht Richtung
Urfttalsperre. Schön zu sehen: Die Wandelhalle, in der Schulungen
stattfanden und in der die Schüler sich aufhalten konnten. Der
Wind pfiff sehr ordentlich hier durch...)
(Adlerhof linker Teil mit Teil
eines der Vorlesungs- und Schulungsgebäuden.)
Weiter ging es mit unserem Rundgang
durch die Burganlage. Von der eben zu sehenden Balustrade der
Wandelhalle aus, konnte man das ehemalige Speiseraum- und
Wirtschaftsgebäude sehr gut sehen. Interessantes Detail: Man kann
am Turm die Betonbauweise der Anlagen deutlich erkennen. Der
hellgraue Teil ohne die Bruchsteinverblendung ist: Blanker Beton.
Die gesamte Anlage sollte ja den Eindruck einer mittelalterlichen
Anlage erzeugen, um eine nicht vorhandene Historizität zu belegen
und den Anschein alter Traditionen zu vermitteln. Um aber die
Baukosten niedrig zu halten und die Anlage schnell bauen zu
können, setzte man auf Betonbauten, die nur dünn verblendet
wurden. Überall, wo diese Verblendung nicht fertig wurde, oder
abplatzte, stößt man nun wieder auf simplen Beton.
(Blanker Beton am Turm: Hier hat
eine Bombe das obere Geschoss des Speisesaals weggerissen, das
Gebäude wurde nur einstöckig repariert, die
Bruchsteinverkleidung dort am Turm nie ersetzt.)
Kurz vorm Verlassen des
Adlerhofgeländes habe ich noch ein Foto der namensgebenden
Adlerstatuetten gemacht. Es gab zwar auch eine Steinversion, aber
die Enden der Holzträger waren auch in Adlerform. Eine der
kleinen Designelemente, die nicht später beseitigt wurden.
(Hölzerner Adler am Ende der
Holzträger am Adlerhofgebäude Wandelhalle.)
(Schöner Ausblick von der
Wandelhalle auf den Urftsee.)
Als nächstes haben wir uns dann
das große Gebäude vom Anfang angesehen, die Kaserne "Van
Dooren". Diese wurde auf den bereits gesetzten Fundamenten
einer Ecke (!) des "Haus des Wissens" nach dem Krieg von
den Belgiern erbaut. Das haus des Wissens (quasi ein Lehr- und
Verwaltungsgebäude) sollte eigentlich das Zentrum des
Lehrbetreibs darstellen - wurde aber bis auf das Fundament nicht
einmal angefangen. Das Material für einen Teil war jedoch schon
hier - also haben die Belgier die Pläne für sich angepasst und
es als Kaserne errichtet. Die Innenräume sind leider nicht
zugänglich, aber durch die Fnester war zu sehen: Alles leer.
Wirklich leer. Komplett kahle Räume.
(Die Kaserne Van Dooren - im
Vordergrund die Betonplattenwege, deren "altertümlicher
Belag" wie im Adlerhof nie aufgelegt wurde.)
(Auf dem Bild kommt die Größe
nicht so gut rüber, aber das Bauwerk ist riesig - und es sollte
knapp vier Mal so groß werden. Wenn man sich an das NS-Seebad
Prora erinnert fühlt: Der Architekt war der gleiche. Häßlich.)
Weiter ging es zum komödiantischen
Highlight des Tages, zumindest für uns. Das "haus der
weiblichen Angestellten" - ein selten unglücklicher Name
für das Wohnhaus der... nun, eben weiblichen Angestellten. Sei es
Küchenkraft, Sekretärin oder Arzthelferin: Alle Frauen der Burg
waren hier untergebracht. Offenbar aus zwei Gründen: Einmal
sollte das "Männerbündnerische" bei der NS-Erziehung
nicht durch weibliche Ablenkung irritiert werden, zum anderen
konnte man so leichter kontrollieren, ob sich nicht doch nachts
die eine oder andere Freundschaft zwischen den Burgbewohnern und
den Frauen intensivieren würde... Unser Gedankengang ging
natürlich am Anfang in eine leicht falsche Richtung - am Sonntag
wurden wir dann auch darüber aufgeklärt, das hier wirklich nie
Bordell stand, und auch der Lebensborn, der dieses Haus später
nutzte, hier keine "Zuchtstation" aufgemacht hätte.
Das lag bei dem Namen aber nun
schon ein wenig nahe...
(Marketingtechnischer NS-SuperGAU:
Das "Haus für weibliche Angestellte" damals. )
Und weiter ging unsere Tour - wir
wollten als nächstes einen Blick auf den großen Turm nehmen.
Gesagt, getan, die Absperrungen überwunden (das hier nicht
gestreut würde, sollte uns weniger interessieren, wir waren ja
wettertechnisch gut ausgerüstet und wissen, wie man läuft) und
flugs ein paar Bilder von diesem Bereich gemacht.
(Der große Turm von unten,
interessantes Konstrukt. Im Innern konnten sich SS-Paare trauen
lassen.)
Da hier nicht sooo viel zu sehen
war, haben wir uns dann einen kleinen Seitenweg gegönnt und sind
über ein Monument eines NS-Künstlers gestolpert. "Wir sind
die Fackelträger der Nation" ließ sich noch auf den
Kugeleinschlagsübersäten Denkmal lesen. Nunja. In Brand gesetzt
haben sie das Land, aber erhellt dann doch eher weniger. So
gesehen ein nicht intendiertes, aber doch prophetisches
Mahnmal.
(Das Monument von Willi Meller.) Weiter
bergab ging unser Weg, der übrigens gar nicht gefährlich war.
Was die Absperrung da sollte? Wir wissen es nicht. Als nächstes
haben wir dann aber was interessantes entdeckt: Die
"Kameradschaftshäuser". Hier waren die ganzen
NS-Schüler untergebracht und nach dem Krieg die Soldaten, die
hier stationiert waren bzw. die an Übungen teilnahmen. Offenbar
in recht schlicht ausgestatteten Räumen, wie wir später erzählt
bekamen und man durch so manches Fenster als Eindruck bekommen
konnte. Einige der wenigen, fertig gestellten Gebäude.
(Kameradschaftshaus für die
NS-Schüler.)
(Kameradschaftshaus für die
NS-Schüler. Weiter Ansicht um die Anlage kompletter zu zeigen.) Und
wieder ein Stück weiter den Hang hinunter, fanden wir dann einen
Sportplatz - unterhalb davon links eine Turnhalle und rechts ein
intaktes und genutztes Hallenbad! Von der Ausstattung für den
Sport her, war diese Anlage sehr großzügig ausgestattet worden.
In der Mitte zwischen den Hallen befand sich ein Tennisplatz, der
aber bei unserem Besuch mit einer Plane abgedeckt war.
(Links und rechts die beiden Sport-
und Schwimmhallen.)
Wir legten erstmal eine
kurze Pause ein und stärkten uns ein wenig, ließen die
Eindrücke Revue passieren und diskutierten darüber, was für ein
völliger Wahnsinn hier stattgefunden bzw. gelehrt wurde. Mit
welch bombastischem Aufwand hier Gelder vernichtet wurden, welche
kruden Ideen und Weltanschauungen hier gelehrt wurden - und
offenbar wurde nur auf eins richtig Wert gelegt: Sport und
Wehrertüchtigung. In den Lehrplänen war jedenfalls weniger Zeit
für andere Bildung vorgesehen, als für Sport etc. Verrückt. Das
erklärte aber wenigstens, warum so viele Sporteinrichtungen
vorhanden waren.
Wir gingen nun den steilen Hang
empor in Richtung der Kameradschaftshäuser und stießen dabei auf
di "Thingstätte" - einer der heidnisch inspirierten
Kultplätze, den die Nazis damals einrichteten um Weihen, Feiern,
Ansprachen und ähnliches abzuhalten. Auf dem Weg dorthin
sahen wir dann ein weiteres NS-Monument, hier waren diverse
Sportlerreliefs zu sehen. Direkt neben dem Fußballplatz.
(Sportlerrelief am Sportplatz.)
Direkt oberhalb davon die
"Tribünen" - an ein römisches Theater erinnernd,
sollten schlichte Steinbänke genug Platz bieten bei öffentlichen
Ansprachen, Sportereignissen etc.
(Thingstätte von der Tribüne aus
gesehen.)
Auf dem Rückweg nach oben
haben wir noch ein paar Bilder der Kameradschaftshäuser gemacht,
aber da diese komplett leer innen sind, gab es nicht viel zu
sehen. Die Öffnungszeit neigte sich dem Ende zu, also haben wir
das Gelände verlassen und sind zurück zum Auto gelaufen. Nicht ohne
noch ein besonders nettes Verkehrsschild unterwegs zu sehen...
(Privatparkplatz...)
Wir entschlossen uns
abends dazu, am nächsten Morgen nochmal zurückzukehren und dann
mit einer Führung die bisher nicht zu sehenden Teile der Burg
anzusehen.
Als erstes wurde uns am Rande des Geländes
ein ehemaliges Dorf, Wollseifen vorgestellt. Dieses Dorf wurde
nach dem Krieg zwangsentvölkert und als Teil des Übungsplatzes
genutzt. Dort wurde später, nachdem die originalen Gebäude alle praktisch
zerstört wurden, neue Übungshäuser aufgebaut, speziell, um
Häuserkampf zu trainieren.
(Die Reste und das neu erbaute
Wollseifen.)
Da wir bis auf zwei
Ausnahmen nur das gleiche wie am Tag zuvor sahen, hier nur die
drei neuen Themen:
Zunächst sahen wir uns das Innere
des riesigen Kinos an, das ursprünglich ein gigantischer Hörsaal
sein sollte. Mehr als 1000 Hörer fassend, bzw. nach dem Krieg
Zuschauer, ist es das größte Einzelkino Europas. Die mangelnde
Beleuchtung bedeutete leider, das ich kein vernünftiges Foto
davon machen konnte - der Blitz reichte nie bis an die Wände.
Riesig!
(Der gigantische Hörsaal von
innen.)
Und zum Schluss sahen wir
noch das Innere der Burgschenke und des halbrunden
Gebäudes.
(Burgschenke von innen mit dem
halbrunden Gebäude als nächstes Bild.)
Nach der Führung
beendeten wir dann unseren Besuch der Burg, fuhren zurück,
beluden die Autos und beendeten die Bunkertour fürs Erste.
|